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Über Reichtum und Kraft der Sprache

Ein Gespräch mit Undine Wöhrl am KWW der Universität Stuttgart

Liebe Frau Wöhrl: "Man kann nicht nicht kommunizieren" ist ein bekannter Satz von Paul Watzlawik. Wir alle üben Kommunikation ein Leben lang ein. Warum ist sie trotzdem so schwierig?

Unter Kommunikation verstehe ich den Prozess, mit anderen in Verbindung zu treten. Ein Verständigungsprozess, der aus "meinen", "sagen" und "verstehen" besteht und in der Tat etliche Wechsel- und Nebenwirkungen bietet. Wir alle haben schon die Erfahrung gemacht, dass es "unterwegs" zu Missverständnissen kommt. Eine wichtige Rolle dabei spielen die unterschiedlichsten Gewohnheiten, die wir im Laufe unseres Lebens von Kindesbeinen an etabliert haben. Wenn wir als Kinder beispielsweise gesagt bekommen, wir seien für die Gefühle von Mama oder anderen Erwachsenen verantwortlich und dass wir nett und brav sein müssen, dann hat das nachhaltigen - nicht unbedingt nur fördernden Einfluss auf unsere Denk- und Sprechweise. Im beruflichen Alltag kommt das dann in Formen wie "Entweder Sie machen das sofort, oder..." zum Ausdruck. Wir eignen uns so einen auf Macht basierenden Kommunikationsstil an, der mit Belohnung und Bestrafung und dem Aufbau von schlechtem Gewissen arbeitet. Wir gewöhnen uns - oft unbewusst - an eine Kommunikation, die von der Urteils- und Bewertungskultur geprägt ist, erlangen aber keine Klarheit darüber, was wir beim anderen (und uns selber) auslösen, wenn wir so oder so sprechen. Tja und fehlende Bewusstheit mit einem Schuss Verwirrung macht die Sache mit dem miteinander sprechen dann leider kompliziert.

Im Training: "Weil Worte wirken" geht es um die sogenannte "Gewaltfreie Kommunikation" nach Marshall Rosenberg. Was ist das besondere an der GfK?

Nach jahrelanger, intensiver Auseinandersetzung mit den verschiedenen Kommunikationsmodellen hat mich Rosenberg vor allem durch seine Einfachheit und Anwendbarkeit überzeugt. Für mich hat die GfK all die bekannten Modelle des wertschätzenden und reifen miteinander Sprechens, des eigenverantwortlichen Hörens und des bewussten Handelns vereint und auf den Punkt gebracht. Besonders mag ich an der GfK, dass sie nicht bei der Sensibilisierung stehen bleibt, sondern darin nur ihren Anfang findet und dann sehr konkrete vermittel- und erlernbare Sprechformen anbietet. Das alles ergibt aus meiner Sicht tieferen Sinn. Über GfK lässt sich sagen, dass sie, "simple but not easy" ist. Die grundlegenden vier Komponenten der GfK sind schnell erklärt. Diese sind: 1. Ich sage, was ich beobachte, ohne zu bewerten, 2. Ich spreche über meine Gefühle und übernehme die Verantwortung für diese Gefühle, 3. Ich spreche von dem, was ich brauche, 4. Ich formuliere eine klare Bitte. Um die vier Komponenten allerdings nachhaltig umzusetzen, bedarf es (nicht zuletzt wegen der Gewohnheiten) einer gewissen Übung.


Das hört sich ziemlich anstrengend an. Hält man so einen Kommunikationsstil auf Dauer durch, oder ist es nicht manchmal besser, einfach mal auf den Tisch zu hauen?

Das kommt darauf an, was jemand leben will. Wer erst einmal eine bestimmte Haltung verinnerlicht und verstanden hat, was unsere Sprache für einen Reichtum dafür bietet, aufrichtig mit sich und anderen gleichzeitig in Kontakt zu kommen, hat vielleicht gar keine Lust mehr, auf alte Muster zurückzugreifen. Das kann jeder nur für sich selbst entscheiden, inwieweit wir im Umgang mit unseren Mitmenschen Drohung, Einschüchterung, Strafe und Lob praktizieren wollen. Zwischenmenschlich finde ich es sehr schade, wenn wir aufeinander aus Angst, Schuld, Verpflichtung, Scham & Co. reagieren. Wenn es passiert, würde ich auch nicht mehr von einem kooperativen Stil sprechen. Mich freut es, wenn Interaktionen zu Stabilität beitragen und Beziehungen - statt zu belasten - beflügeln.


Heißt das,dass man nur noch nett zueinander sein soll, aus Angst, jemanden zu verletzen?

Nein, "nett" trifft es für mein Verständnis nicht. Ich würde eher authentisch sagen. Wie der Titel eines GfK-Buches sagt "Sei nicht nett, sei echt". Es geht darum, sich aufrichtig mitzuteilen, d. h. ich zeige, was bei mir gerade los ist, was ich brauche und worum ich bitte. Das Ziel einer solchen Art der Verständigung ist es, für Klarheit zu sorgen und eine kraftvolle Verbindung zum Gesprächspartner herzustellen. Dazu kommt dann noch ein Perspektivenwechsel: die empathische Vermutung. Durch die praktizierte Authentizität entwickelt sich ein wertschätzender Umgang miteinander. Wenn wir diese respektvollen Begegnungsformen in unserem Alltag verwirklichen, entsteht eine riesige Freude und nebenbei auch sicherlich Effizienz und Leichtigkeit im Miteinander

 

 


Sie haben einmal zu mir gesagt: Aufrichtigkeit ist vermutlich die verwegenste Form von Tapferkeit. Was ist darunter zu verstehen?

Gerade in Situationen, die wir als schwierig oder herausfordernd erleben, erfordert es eine hohe Form von Tapferkeit, aufrichtig bei sich selbst zu bleiben und bereit zu sein, "all unser Lachen zu lachen und all unsere Tränen zu weinen" wie Rosenberg sagt. Es bedeutet, den Mut aufzubringen zu vermitteln, was bei mir los ist, statt dem anderen zu sagen, was alles bei ihm nicht stimmt und was er alles falsch macht, also wirklich zu sagen wie es mir gerade geht, was ich brauche und was ich will. Das wissen viele Menschen zunächst gar nicht. Einmal entdeckt kommt dazu die Kunst dies aufrichtig auszudrücken - ohne Vorwurf, Kritik und Forderungen. Ein Urteil über einen Anderen zu fällen oder einen Schuldigen zu finden (und sei es ich selbst) hingegen erfordert meiner Meinung nach weder Mut noch Klarheit. Übrigens ist mit Aufrichtigkeit auch gemeint beispielsweise "nein" zu sagen, wenn ich "nein" meine. Das würden viele Menschen nicht unbedingt als besonders nett bezeichnen. Es geht darum, volle Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung zu übernehmen. Wer genau hinschaut wird bemerken, dass sich dann ein enorm kreativer Spielraum bietet.

 


Kann man GfK auch im Berufsalltag anwenden, oder finden die Kollegen das dann eher komisch?

Ja, Sie können auf jeden Fall GfK im Berufsalltag anwenden. Möglicherweise an manchen Stellen modifiziert, d. h. umgangssprachlich formuliert, statt "klassisch". Einen eigenen alltagstauglichen Stil zu finden halte ich allerdings für einen natürlichen, fließenden Prozess. Viele GfK-Inspirierte beginnen erstmal damit einzelne Komponenten zu integrieren, z. B. Beobachtungen wiederzugeben, statt mit Interpretationen um sich zu werfen oder auch klar erfüllbare Bitten zu formulieren statt Wünsche oder Forderungen auszusprechen. Kann schon sein, dass Kollegen das zunächst merkwürdig finden, aber vermutlich eher im Sinne: des Merkens würdig.

Haben Sie noch einen Satz, den Sie dem Leser mit auf den Weg geben möchten?

Hm. Am stärksten kommt mir ein Satz von Moshe Feldenkrais in den Sinn, den er in erster Linie auf somatisches Lernen bezogen hatte. Für mich passt er wunderbar auch zur GfK und gibt die Essenz allen Handelns wieder, er lautet: Nur wer weiß was er tut, kann tun, was er will.

 

 

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